Junioren auf dem Norisring


Seit 20 Jahren werden nun auf dem Norisring im Nürnberger Stadiongelände Rennen gefahren. Es hat in dieser Zeit viele schöne und spannende Rennen gegeben, bei den Lizenzfahrern ebenso wie bei den Junioren. Nach der kürzlichen Sprengung der Säulengalerie hat die große Steintribüne viel von ihrem imposanten, für das Norisring-Rennen typischen Bild verloren. Es hatte viele Proteste aus der Bevölkerung wie vom veranstaltenden Motorsport-Club Nürnberg gegeben (und sogar telefonische Morddrohungen gegen den amtierenden Sprengmeister und Nürnbergs Oberbürgermeister, der deshalb sicherheitshalber von der Polizei vorübergehend Ausgehverbot erhalten hatte! D. Red.), aber nach Ansicht der Behörden war der Säulentrakt baufällig und die Instandsetzung hätte ein Mehrfaches der Kosten für die Ausbesserung bedeutet. Aber nicht alle Nürnberger glaubten an diese Darstellung.
Unbestreitbar baufällig dagegen, nämlich furchtbar wellig, ist leider inzwischen ein großer Teil der Strecke geworden, besonders auf der Start- und Zielgeraden. Bis jetzt war es nicht möglich, die Stadt Nürnberg zu bewegen, die Rennstrecke auszubessern, was eigentlich unverständlich ist, denn die Stadt hat an den Einnahmen sicher einen hübschen Anteil. Verschiedentlich ging sogar das Gerücht um, das diesjährige Rennen sei das letzte, obwohl offiziell beabsichtigt war, speziell das 200 Meilen-Sportwagen- und Prototypenrennen weiterhin mindestens ebenso umfangreich wie in diesem Jahr aufzuziehen. Ursache einer Resignation seitens des Veranstalters könnten wohl die geforderten Sicherheitsmaßnahmen und die damit verbundenen enormen Unkosten sein.

230 (in Worten: zweihundertunddreißig!) Nennungen wurden abgegeben, von denen 110 Fahrer bei den Ausscheidungsläufen am Samstag starten durften, um für die Rennen die jeweils 25 schnellsten Solisten sowie die 18 schnellsten Gespannfahrer zu ermitteln.
Obwohl die Veranstaltung mit einem großen Wagenrennen gekuppelt wurde, weilten alle Werkstattwagen der Renndienste beim 6 Stunden-Rennen für Tourenwagen auf dem Nürburgring. Es waren nur Tankmöglichkeiten, der Renndienstwagen von Veedol und ein kleiner Service-Wagen einer einheimischen Bosch-Vertretung vorhanden, was natürlich für die Bastler erhebliche Schwierigkeiten mitbrachte. Die Zeit zum freien Training war mit ¾ Stunden für die Solofahrer und 1½ Stunden für die Beiwagen-Klasse nicht zu knapp bemessen. Mittags erfolgte das Pflichttraining über vier Runden, bei denen sich die Fahrer schon mehr sputen mußten, um einen Startplatz zu erhalten.
Trotz fast tropischer Hitze waren am Sonntagmorgen die große Tribüne und die übrigen Streckenteile überraschend dicht besetzt (man schätzte zwischen 30—50000 Besucher), als sich das Feld der 250er zum Start aufstellte.
Auf dem besten Startplatz steht der Nürnberger Seiler (Honda), der im Training 1,2 sec schneller als Reinhard Scholtis (Adler) gewesen war. Dahinter folgen Heck (Bultaco), Schneider (Honda) und Loth (Bultaco). Als die Flagge fällt, gehen Loth, Heck und Steinbach als erste weg, Scholtis steckt im Mittelfeld.

Aus der ersten Runde kommen Badenberg, hinter ihm Steinbach auf der erstaunlich laufenden Ducati und ein großer Pulk. Avus-Sieger Wohleb ist in der Rechtskurve des „S" an der Tribüne im dichten Rudel zu Boden gegangen, nimmt aber sofort das Rennen wieder auf, um dann bald aus dem Feld zu verschwinden. Badenberg bleibt Leader, und hinter ihm raufen sich Heck, Steinbach, Shimada, Schneider und Träg um Platz 2. Scholtis macht mit einer begeisternd gleichmäßigen Fahrt Boden gut. Er kann in der 3. Runde auf den 2. Platz vorstoßen und greift Badenberg an. Schneider setzt sich in der 10. Runde gegen seine Vordermänner durch und verringert ständig den Abstand zu dem inzwischen von Scholtis überholten Badenberg. Keiner des ganzen Feldes fuhr in der „S"-Kurve so an der Grenze wie Schneider, dessen Durchfahrten eine so gleichmäßig war wie die andere. Ebenso sauber fuhr sich der Ochsenfurter Guttenberger vom Ende des Feldes nach vorn, bis seine Honda langsamer wurde. Drei Runden vor Schluß gibt Steinbachs Ducati den Geist auf, die Abstände von Fahrer zu Fahrer werden größer, so daß es nach 20 Runden im Zieleinlauf heißt: Scholtis 5,6 sec vor Badenberg, Schneider und Shimada, drei betagte Adler vor der fast serienmäßigen Yamaha!

Bei den Solomotorrädern bis 500 ccm stand auf dem besten Startplatz der von Hartmut Allner betreute Rupert Bauer (BMW). Neben ihm Paul Smetana auf der URS 66 von Helmut Fath. Smetana war am Sonnabend nach Haus gefahren, um eine neue Förderpumpe zu holen, da der Motor nicht sauber lief. Der Ärger mit den Kleinigkeiten will bei dieser „PS-Fabrik" einfach nicht aufhören, und wie zu erfahren war, hat es jetzt Fath auch noch mit einer Lungen- und Rippenfellentzündung erwischt, die er sich wahrscheinlich auf der TT holte.
Den besten Start hat der Trainingsdritte, Richard Schumacher, auf einer Honda CB 450, gefolgt von Rupert Bauer und einem großen BMW-Rudel, zwischen dem sich Smetana auf dem 5. und die Honda von Labitzke auf dem 6. Platz befinden. Schumacher und Bauer setzen sich etwas ab und wechseln in der 4. Runde die Positionen. Die URS scheint doch nicht richtig zu gehen und fällt zeitweise auf den 8. Rang zurück. Bauer kann seinen Vorsprung ständig ausbauen und ab der Halbzeit einem sicheren Sieg entgegenfahren. Schumachers Vorsprung ist ebenso beruhigend, aber hinter ihm wird erbittert gekämpft. Oft sind es nur 3 Sekunden, die die folgenden sechs Fahrer trennen. Spitzners Honda wird langsamer. Arlt, Kresser (beide BMW) und Feix (Honda) fallen aus. Labitzke — Glück — Hecht ist die Reihenfolge der Kampfhähne im Ziel.

 

 

Bei den Seitenwagen hatten Linnarz/Hohoff, von Max Deubel betreut, auf ihrem Kurzhub-BMW RS-Gespann (Links-Seitenwagen) das beste Trainingsergebnis gehabt. Vom Start weg übernehmen sie die Spitze und bauen sich in ruhiger und konzentrierter Fahrweise einen sicheren Vorsprung aus. Aber hinter ihnen entbrennt auch in dieser Klasse ein heißer Kampf um die weiteren Plätze. Seegers/Polster, aus dem hinteren Feld nach vorn gestoßen, Müller/Buchecker, Böse/Lauterbach und Hartmann/Kremer liegen in dieser Reihenfolge rundenlang ca. 2 Sekunden auseinander. In der 14. Runde fehlen Hartmann/Kremer, und Rohr/Jelonek haben sich vom 6. auf den 4. Platz vor Böse/Lauterbach gesetzt.
Leider hat es im „Schlauch" vor der Spitzkehre durch Kollision zweier Gespanne einen Unfall gegeben. Die beiden Fahrer (Prippenow und Göbel) mußten ins Krankenhaus gebracht werden, wo sich aber die zuerst vermuteten schweren Kopfverletzungen als nicht lebensgefährlich herausstellten. Trotz dieses Unfalls war die Ausfallquote in dieser Klasse am geringsten. Von 18 Gestarteten erreichten 13 das Ziel.

Wie bei fast allen Junioren-Rennen zeigte sich auch in Nürnberg wieder ein großer Unterschied im fahrerischen Können. Einige fahren auffallend sauber und ruhig, eben einen anständigen Strich, dann kommen welche (solo!) mal links mal rechts quer (nicht immer liegt es am Fahrgestell) und stechen Runde für Runde auf einer anderen Linie in die Kurve, schneiden Konkurrenten so, daß die zu Boden müssen, um endlich, vielleicht drei Runden vor Schluß, zu begreifen, worum es geht.
Bei den Seitenwagen zeigen manche Beifahrer disqualifikationsreife Einlagen: beide Beine in die Höh´ — so geht es nicht! Diese Leute gefährden
bei aller Begeisterung für ihren Sport nicht nur sich, sondern alle anderen auf der Strecke (die hier gemeint sind, hätten Max Deubel einmal hören sollen, als er das mit ansah!). Daß mal ein Beifahrer aussteigt, kommt vor, nur sollte das ein aufmerksamer Fahrer eigentlich gleich merken, nicht erst 1 km weiter an der nächsten Kurve (!!!), wo es ihm nach haarsträubender Zauberei gelang, das Gespann zum Stehen zu bringen. Für die Zukunft weiß dieser Mann sicher, daß man nach einer Kurve einmal kurz nach dem
Beifahrer sieht, denn blindes Vertrauen stellt sich auch bei Spitzenfahrern erst nach vielen Jahren ein.

R. Sch.

 

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